Arbeitsgruppe Interreligiöse Bildung

Friedenspädagogik bei Religions for Peace Deutschland

Keine interreligiöse Friedensarbeit ohne interreligiöse Bildung und Friedenspädagogik!

 

Diese Grunderkenntnis hat die Bewegung Religions for Peace (RfP) bei ihren Weltversammlungen und besonders bei der 10. Weltversammlung 2019 in Lindau immer wieder hervorgehoben:

Von RfP Deutschland wurde eine Arbeitsgruppe initiiert, deren Anliegen es ist, Projekte interreligiöser Bildung und Friedenspädagogik sichtbar zu machen, sie miteinander in Austausch zu bringen, ihre Zusammenarbeit zu fördern und neue Initiativen anzuregen.
Insgesamt 15 Einrichtungen mit ihren jeweils Verantwortlichen ließen sich auf die Mitarbeit ansprechen. Sie verteilen sich auf die Bereiche:

  • Schulische und universitäre Bildung
    Kommunale
  • Bildung/Erwachsenenbildung/interreligiöse Begegnungsarbeit/kulturelle Bildung
  • Friedenspädagogik – Wertebildung

 

Die Arbeitsgruppe hat eine Grundsatzerklärung erarbeitet unter dem Motto:

„Interreligiöse Bildung und Friedenspädagogik als Herausforderung öffentlicher Bildungsverantwortung“

Prof. Dr. Johannes Lähnemann

Prof. Dr. Johannes Lähnemann

c/o Lehrstuhl für Religionspädagogik und Didaktik des Ev. Religionsunterrichts

Universität Erlangen-Nürnberg
Regensburger Str. 160
90478 Nürnberg

Privat: Claustorwall 9 b, 38640 Goslar

Email: johannes.laehmemann@gmail.com
Telefon: 01712058745

Interreligiöse Bildung und Friedenspädagogik als Herausforderung öffentlicher Bildungsverantwortung Thesen

 

  1. Den Rahmen für die aktuelle Bildungsentwicklung bildet die weltweit fortschreitende Globalisierung, die zu einer deutlichen Pluralisierung unserer Lebenswelten auch in religiöser und weltanschaulicher Hinsicht geführt hat.
  2. Religionsgemeinschaften können von ihren Grundüberzeugungen her konstruktiv zu einer Kultur des Zusammenlebens in wechselseitiger Wertschätzung und Kooperationsbereitschaft beitragen. Mit Blick auf die globalen Gefährdungen von Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen ist dieser Beitrag angesichts einer weltweit über 80% liegenden Religionszugehörigkeit aller Menschen für die Zukunft von herausragender Bedeutung.
  3. Allerdings stehen Religionsgemeinschaften gleichzeitig im Spannungsfeld partikularistischer und extremistischer Strömungen, die das Zusammenleben bedrohen:
    • durch die Instrumentalisierung religiöser und weltanschaulicher Exklusivansprüche mit
      hohem Konfliktpotential,
    • durch ideologisch aufgeheizte Aggressionsformen wie Antisemitismus, Islamophobie,
    • aber auch militantem Nationalismus, Ethnizismus und Atheismus
  4. Interreligiöse Koalitionen wie die seit 50 Jahren etablierte transnationale Organisation Religions for Peace sind von dem Bemühen getragen, die spirituellen und menschenfreundlichen Ressourcen der Religionen zu mobilisieren und damit Konflikten
    vorzubeugen, in Konflikten zu vermitteln und nach Konflikten versöhnend zu wirken.
  5. Dass die Religionsgemeinschaften als zivilgesellschaftliche Kräfte auch politisch ernst zu nehmen sind, wird inzwischen an vielen Stellen international und besonders auch in Deutschland wahrgenommen. Die Tatsache, dass – trotz starker säkularer Tendenzen in den hoch industrialisierten Staaten – ein so hoher Anteil der Weltbevölkerung religiös gebunden ist und dass religiöse Führungspersönlichkeiten in vielen Ländern als moralische Instanzen und Vermittler*innen eine immer wichtiger werdende Rolle spielen können, findet auch auf
    der Ebene der UNO und vieler Regierungen Beachtung.
  6. Besondere Chancen interreligiöser Bildung in enger Beziehung zur Friedenspädagogik
    liegen darin, Kenntnisse, Begegnungen und Austausch zu vermitteln, die geeignet sind, authentische Bilder voneinander und miteinander zu gewinnen und so Fremdes wie V erbindendes achtungsvoll wahrzunehmen. Dies kann zum einen zu persönlicher Orientierung und Identitätsbildung beitragen, zum anderen wirkt es Vorurteilen und gegenseitigen Abwertungen entgegen, die häufig den Anlass zu Radikalisierungen bilden.
  7. Interreligiöses Lernen und Friedensbildung sind eine relevante Aufgabenstellung für alle Bildungsebenen – schulisch, universitär, kommunal und besonders auch in und für Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften selbst. Dabei sind die spezifischen Chancen und Probleme der jeweiligen Ebene auszuloten, um der Gesamtheit der Aufgabenstellung gerecht werden zu können.
  8. Für den schulischen Bereich gilt, dass es, beginnend in den 90-er Jahren, zum Standard geworden ist, die Religionenthematik in die verschiedenen Formen von Religionsunterricht
    • konfessionell, konfessionell-kooperativ, interreligiös, dialogisch, religionskundlich (Ethik/LER) – zu inkorporieren. Die Konzepte sind pluraler, schüler-orientierter, lebendiger geworden, oft auf authentische Begegnung bezogen. Die Unterrichtslandschaft ist vor allem durch den im Aufbau begriffenen Islamischen Religionsunterricht vielfältiger und reizvoller geworden. Es fehlt aber an konzeptionellem und praktischem Austausch und Zusammenwirken zwischen den verschiedenen Formen von Religions- und Ethikunterricht
    • nicht selten bei gegenseitiger Konkurrenz.

    Anzustreben wäre eine Gesamtkonferenz Religion – Ethik für den deutschsprachigen Raum, um gemeinsame Anliegen herauszuarbeiten und der Marginalisierung dieser Fächergruppe im öffentlichen Bildungswesen entgegen zu wirken.

  9. Im Bereich der Universitäten/Hochschulen hat sich im Themenbereich interreligiöser Bildung ein breites Feld an Forschungsinitiativen und -arbeiten entwickelt, ebenso im Bereich der Lehre. Sowohl in der Ausbildung von Theologinnen und Theologen als auch der religions-bezogenen Lehramtsstudiengänge ist die frühere Marginalisierung interreligiöser Fragestellungen überwunden. Besonders fruchtbar hat sich die Kooperation zwischen christlichen und muslimischen Hochschulinstitutionen entwickelt. In diesem Kontext bieten Einrichtungen wie die Akademie der Weltreligionen in Hamburg und die Arbeiten einer Komparativen Theologie (Paderborn), aber auch Zusatzstudiengänge zu interreligiöser Mediation für alle Lehramtsfächer (Augsburg) und das Institut für Wertebildung und Friedensethik (Osnabrück) neue Ansätze. Klärungen hinsichtlich der Beziehungen der islamischen Ausbildungsgänge zum überwiegenden Teil der muslimischen Verbände, ihrer Ausrichtung und ihrer Einflussnahme sind nötig. Auch mit der jüdischen Seite kann der grundlegende religionspädagogische Diskurs noch stärker ausgebaut werden. Neben dem Vertrautmachen mit der eigenen religiösen Tradition, dem in den eigenen meist kleinen jüdischen Gemeinden viel Kraft gewidmet werden muss, ist für die konzeptionelle Arbeit mit Blick auf interreligiöses Lernen noch wenig Raum. Wichtig ist auch die Einbeziehung weiterer Religionsgemeinschaften über Judentum, Christentum und Islam hinaus – wie Alevitentum, Baha’i-tum, Buddhismus und Hinduismus – in den Bildungsdialog.
  10. Das Feld interreligiöser Bildung und der Friedenspädagogik im kommunalen Bereich weist eine wachsende Bandbreite an Initiativen auf. Neben dem langjährigen Engagement von Religions for Peace Deutschland hat dies beispielsweise der 2018 gegründete Bundeskongress der Räte der Religionen sichtbar gemacht. Hier hat sich auf verschiedenen Ebenen eine vor zwei Jahrzehnten noch kaum denkbare Vielfalt interreligiöser Zusammenarbeit entwickelt. Eine besondere Chance und ein Desiderat sind die Kooperation mit den Religionsgemeinschaften selbst, für die es wichtig wäre, authentisch in zivilgesellschaftliche Lernprozesse eingebunden zu werden. Besonders kleine Religionsgemeinschaften und durch Migrationshintergründe geprägte Gemeinden sehen sich primär genötigt, ihre Glaubenstradition zu wahren und angesichts der sie umgebenden Pluralität zu artikulieren.
  11. Als besonders produktiv erweist sich die Bildungsarbeit in Akademien, im künstlerischen Bereich und bei friedenspädagogisch ausgerichteten Stiftungen. Ein Problem stellt hier die zumeist sehr zielgerichtete, aber zeitlich befristete Förderung beispielhafter Projekte dar, wobei es oft nur schwer gelingt, sie in kontinuierliche und evaluativ begleitete Weiterarbeit zu überführen.
  12. Die von Religions for Peace nach der Weltversammlung von 2019 in Lindau initiierte Arbeitsgruppe „Interreligiöse Bildung – Friedenspädagogik“ strebt eine Plattform an, auf der die Initiativen und Entwicklungen in diesem Feld dokumentiert werden und zur Verstetigung von Austausch, Kooperation und systematischer Auswertung beigetragen wird. Durch ihre interdisziplinäre, religionsübergreifende und verschiedene Bildungsebenen repräsentierende Zusammensetzung bietet sie die Voraussetzungen, das Bewusstsein für die Relevanz des Aufgabenfeldes in der breiteren Öffentlichkeit zu wecken.