Text und Foto: Ali Faridi
In der vollbesetzten Marktkirche von Hannover versammelten sich am Freitag, den 4. Februar 2022 Familie und Weggefährten von Ernst-Wolf Kleinwächter, um zum letzten Malvon ihm Abschied zu nehmen. Die Person, der als einer der Väter des Hauses der Religionen galt, hatte dem interreligiösen Dialog seinen letzten Dienst erwiesen, in dem er allen seinen Freundinnen und Freunde gebeten hatte, statt Blumen und Kränze, für das kurz vor der Neueröffnung stehenden Haus der Religionen zu spenden.
Mir kam die Ehre zu, in dieser in vielfacher Hinsicht würdige Gedenkveranstaltung, zum Ausdruck zu bringen, wie unschätzbar seine Dienstbarkeit in der Entwicklung des interreligiösen Dialoges in Hannover war und bleiben wird.
Zu Beginn des Interreligiösen Dialogs in Hannover sah ich Ernst-Wolf Kleinwächter gelegentlich hier und dort. Als wir zur Gründungsversammlung von Religions for Peace Hannover 1995 zusammenkamen, könnte ich nicht ahnen, dass ich in den darauffolgenden 27 Jahren mit ihm beinahe genauso lange zusammen sein werde wie mit den eigenen Familienmitgliedern.
Zusammen mit anderen Beteiligten, von denen einige bei der Gedenkandacht anwesend waren, konnten wir im Verlauf der Jahre Projekte und Ideen in Angriff nehmen, die sich im Nachhinein für unsere Stadtgesellschaft als unverzichtbar erwiesen haben. Und Ernst-Wolf Kleinwächter war dabei stets der zuverlässige Antriebsmotor. Das nachhaltigste gemeinsame Projekt war die Errichtung des „Treffpunkt Religionen während der Weltausstellung Expo 2000, das die Keimzelle des heutigen Hauses der Religionen bildete.
Zu bewundern war nicht nur seine täglich 13-stündige Präsenz über 15 Wochen, immerhin mit 71.
Weitere Projekte folgten in kurzer Reihenfolge, die ihm ebenfalls sehr viel abverlangten.
Die Anliegen aller Kolleginnen und Kollegen aus dem Interreligiösen Dialog hatten für ihn stets die höchste Priorität. Besonders wirkungsvoll und herzlich hat er sich für die Errichtung und Entwicklung des Hindu-Tempels in Hannover Badenstedt eingesetzt.
Mitte 2009 – mit 80 – wollte er sich etwas zurückziehen. Dies gelang ihm nur teilweise. Als es etwas ruhiger werden sollte, begann für ihn eine Leidensgeschichte, die in mancher Hinsicht an die Leidensgeschichte, aber auch an die Geduld und an das Gottvertrauen, des Hiobs erinnerten.
2014 verstarb seine geliebte Frau Anemone, mit der er 60 Jahre verheiratet war.
Ein Jahr später stürzte er nach dem Gottesdienst – ein paar Schritte von hier entfernt – von seinem Fahrrad. Dieser zuerst harmlos erscheinende Unfall hätte ihn beinahe ein Bein oder sogar das Leben gekostet. Schwere Entzündungen, multiresistente Keime, Isolierstation usw. 7 Wochen lang wurde das Krankenhaus Henriettenstift sein zuhause. Fortan musste er das Fahrrad gegen einen Rollator tauschen.
Damit nicht genug.
Im April 2018 wurde er trotz Rollator und Signalkleidung beim Überqueren einer Straße von einem unaufmerksamen Autofahrer angefahren und erheblich verletzt. Klagen hörte man von ihm kaum. Viel mehr war er stets dafür dankbar, dass es nicht schlimmer gekommen ist und dass er eine wunderbare Familie, eine fürsorgliche Kirchengemeinde und so viele Freundinnen und Freunde aus dem Interreligiösen Dialog um sich hatte.
Kein Leid konnte seine Geduld und sein Gottvertrauen übermannen.
2020 erhielt er eine wenig wirksame Chemotherapie wegen seines unheilbaren MDS-Syndroms. Er ließ es sich trotzdem nicht nehmen, noch im vergangenen November wohlgemut und mit Rollator an der Baustellungsbegehung des Hauses der Religionen teilzunehmen. Er und wir, damit meine ich alle unsere Kolleginnen und Kollegen von Religions for Peace, vom Rat, vom Forum und vom Haus der Religionen, hatten noch gehofft, dass er auch bei der Einweihung des Hauses im Herbst 2022 dabei sein könnte. Es sollte aber nicht sein und das bedauern wir sehr.
Jedoch der Geist der Verständigung und Verbundenheit zwischen den Religionen, von dem er beseelt war, wird uns aber sicherlich stets zur Seite stehen und sein Andenken in unseren Herzen lebendig halten.
(Diesen Text trug Ali Faridi nach einem Gottesdienst in der Marktkirche in Hannover vor. Das Foto zeigt Johannes Lähnemann, Ernst-Wolf Kleindwächter und Martin Affolderbach auf dem Kirchentag in Berlin 2017.)