Jahresrückblick 2024

5. Januar 2025

Religions For Peace Deutschland

Viele sehnen sich nach Frieden, Besonnenheit und Entspannung für eine Welt, die leider auch im vergangenen Jahr im haltlosen Aufruhr war – und das ist angesichts der Kriegsverbrechen, der Hungersnöte und der rasant fortschreitenden Auswirkungen der Klimakrise viel zu harmlos ausgedrückt. Mit Entsetzen nehmen wir das alles wahr und sehen doch zum Beispiel an dem unerwartet plötzlichen Ende der Schreckensherrschaft Assads in Syrien, was möglich ist. Das hat uns vermutlich alle zum Staunen gebracht, wie sich in nur einer Woche das Blatt völlig gewendet hat. Dieses Staunen hat etwas mit dem Glauben an das Potenzial zur Umkehr zum Frieden zu tun – Religions for Peace wurde aus dieser Überzeugung vor mehr als einem halben Jahrhundert gegründet und engagiert sich weiterhin für die unaufgebbare Vision, dass ein Ende der Gewalt mit seinen vielen schrecklichen Formen möglich ist und dass Religionen gemeinsam die Verantwortung haben, sich hierfür einzusetzen.

Die Vision vom Frieden ist wie dieses ‚Resilienzgelb‘ (Titel des Bildes, S.1), das nach Struktur sucht. Für mich drückt es aus: Nein, wir lassen es nicht zu, dass unser ganzes Welt-Bild in ein Grau-Schwarz der Verzweiflung getaucht wird. Trotz des gefühlten Aufruhrs sehe ich im Bild des Landsberger Künstlers Holger Gebhard diese warmen und hoffnungsvollen Töne wie eine trotzige Sehnsuchtswand – grüne, rote und gelbe Farben erscheinen mir wie Zeugen von Trost und Verheißungen, von denen sich viele religiöse Menschen trotz allem getragen wissen. Jetzt nicht aufgeben! – auch wenn es weltweit so viele Rückschläge und Entwicklungen in augenscheinlich verkehrte Richtungen gibt. Mit verkehrten Richtungen meine ich das Erstarken autokratischer Systeme, aber auch imperialistischer, antidemokratischer, rassistischer, sexistischer Kräfte – kurz von Mächten, die die unantastbare Würde aller Menschen, die in der Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen (1948) wie auch im deutschen Grundgesetz (1949) verankert sind – mit Füßen treten. Und die auch die grundlegenden Werte von glaubenden Menschen verraten – so die Einsicht vieler Religionsgemeinschaften, die sich in der religionsverbindenden weltweiten Friedensbewegung Religions for Peace verbunden haben. Religions for Peace will daher auf verbindende menschen- und mitweltfreundliche Werte setzen, indem sie sich als Religionsgemeinschaften auf für sie geltende Prinzipien verständigt haben:

  • Friedliche, gerechte und inklusive Gesellschaften
  • Geschlechtergerechtigkeit
  • Natur- und Klimaschutz
  • Religions- und Meinungsfreiheit
  • Interreligiöse Friedensbildung
  • Globale Partnerschaften, die auf Solidarität setzen.

Es ist von elementarer Bedeutung, sich dies zu vergegenwärtigen und sowohl dem Frieden wie auch den Friedensprozessen und denen, die sich für den Frieden einsetzen, nachzufragen.

So sind wir auch im vergangenen Jahr als Verein Religions for Peace Deutschland  am Thema ‚Friede‘ drangeblieben: in zahlreichen Friedensgebeten, in unseren monatlichen Vorstandssitzungen, aber auch bei angefragten öffentlichen Vorträgen. Nachdem wir mit Unterstützung von Dr. Martin Affolderbach einen wissenschaftlichen Beirat ins Leben rufen konnten, hat dieses Gremium mit fachlicher und interreligiöser Expertise dem Vorstand einen hervorragenden und zukunftsweisenden Abschlussbericht seines Konsultationsprozesses vorgelegt. Es geht hier um folgende Fragen: Wie können wir als international angesehene Friedensinitiative unser Potenzial für den Frieden wirksamer einbringen? Was bedeutet es für uns als interreligiöse Friedensorganisation, wenn sich nicht alle Religionsführer an die auf der Weltkonferenz in Lindau (2019) vereinbarten Werte und Strategien für den Frieden halten? Welche Konsequenzen müssen hieraus gezogen werden, um nicht an Glaubwürdigkeit zu verlieren? Muss es hier nicht dringend notwendige Kontrollmechanismen (Monitoring-Prozesse) und öffentlichkeitswirksame Positionierungen geben? Auf der kommenden Mitgliederversammlung im Frühjahr 2025 (konkret am 10. März 2025 – die Einladung folgt) werden wir diesen Bericht vorstellen, diskutieren und einen Beschluss treffen, ob und wie wir mit den konstruktiven Empfehlungen für eine interreligiöse Friedensarbeit in die Öffentlichkeit gehen. An dieser Stelle möchte ich jedoch meinen großen Dank für die hervorragende Erarbeitung dieses Berichts an alle Beteiligten im Wiss. Beirat aussprechen. Es ist für mich ein überaus notwendiges und ermutigendes Zeichen des Tätigwerdens und Gesichtzeigens.

Wie wichtig das ‚Gesichtzeigen‘ für uns als Verein ist, wurde auch bei unserem Treffen der regionalen und lokalen RfP-Gruppen in Regensburg vom 15.-16. Juni deutlich. Mit der kompetenten und überaus engagierten RfP-Regensburgerin Martina Groh-Schad hatten wir nicht nur wichtige Gespräche unter den Mitgliedern, sondern auch spannende Einblicke in die interreligiöse Stadtgeschichte. Wir sind froh, dass die Gruppentreffen nun wieder in beständigem jährlichem Rhythmus stattfinden und auf diese Weise ein stärkerer Zusammenhalt, gegenseitige Unterstützung und wertvolle Freundschaften wachsen können. Unser nächstes Treffen werden wir zum Deutschen Evangelischen Kirchentag (DEKT) in Hannover (30.4.- 4.5.2025) organisieren. Hier planen wir wieder Aktivitäten wie Workshops zu interreligiösen Fragen des Friedens, aber auch einen Informationsstand auf dem Markt der Möglichkeiten, um mit Interressierten ins Gespräch zu kommen. Hierzu ein kurzer Hinweis: Wer uns beim Stand helfen kann, möge bitte Bescheid geben.

Besonders ist zu erwähnen, dass Anfang des Jahres 2024 die Projektgruppe zur Kartierung interreligiöser Netzwerke in Deutschland mit dem Erscheinen der Publikation ‚Interreligiöse Initiativen in Deutschland. Ein Wegweiser.‘ (hg. von RfP Deutschland, Stiftung Weltethos, Bundeskongress der Räte der Religionen und Forum der Religionen im Kontext) ihre Arbeit vorerst abschliessen konnte. Besonderer Dank gebührt hier unserem stellvertretenden Vorsitzenden Dr. Peter Bender für seine jahrelange engagierte Mitarbeit als Herausgeber!

Dies gilt auch für das Engagement im ‚Interreligiösen Netzwerk Deutschland‘, das sich als Follow-up-Projekt der Weltkonferenz in Lindau versteht und mit einem Treffen in Frankfurt am 21.10.24 zahlreiche interreligiöse Initiativen erstmalig zum Austausch versammeln konnte. Besonders Dr. Martin Affolderbach und Dr. Peter Bender ist hier von Seiten RfP Deutschland für die hervorragende Mitarbeit bei der Organisation eines überaus spannenden und für Deutschland einzigartigen Vernetzungstreffens zu danken.

Etwa zeitgleich gelang es uns in einer Arbeitsgruppe mit der Unterstützung von Rev. Prof. Dr. Dr. h.c. Dietrich Werner, Katja Dorothea Buck, Dr. Martin Affolderbach, Dr. Hamideh Mohagheghi und Dr. Gabor Lengyel eine Interreligiöse Trauerliturgie zum Gedenken an den Terroranschlag der Hamas auf Israel am 7.Oktober 2023 vorzulegen. Manchmal kann ein Weg der gemeinsamen Trauer ein erster Schritt zum Dialog um des Friedens willen sein.

 

Unter Leitung von Johannes Lähnemann hat sich auch im vergangenen Jahr die Projektgruppe Interreligiöse Friedensbildung mehrmals getroffen und die Vernetzung mit bundesweiten Akteur*innen der interreligiösen Bildung vorangebracht. Mit Dank und Bewunderung möchte ich auf seine neueste englische Publikation ‚Interreligious and Peace Education in Times of Crisis. A History of Religions for Peace’ hinweisen.

Unsere Projektgruppe Umwelt, Klimaschutz und Nachhaltigkeit hat das von der Dr. Buhmann-Stiftung geförderte interreligiöse Umweltprojekt ‚HERBS‘ (Heilkräuter – Erde – Religionen – Bildung – Spiritualität) voranbringen können, so dass es im Jahr 2025 mit der Erarbeitung einer Ausstellung (mit Reader) abgeschlossen werden kann. Hierzu werden aus der Perspektive des Judentums, Christentums, des Islam, des Buddhismus sowie indigener Religionen Materialien erarbeitet, um die Bedeutung von Heilung und Heilkräutern in den Religionen zu veranschaulichen. Ziel ist es, die interreligiöse Kooperation zur Förderung von Umweltbildung zu verlebendigen.

Besonders dankbar bin ich meinem Kollegen Prof. Dr. Manfred Pirner für die Organisation des Nürnberger Forums vom 30.9.-2.10.2024 zum Thema ‚Spirituelle Dimensionen einer Bildung für nachhaltige Entwicklung‘ mit starker Beteiligung von Religions for Peace auf nationaler wie auch internationaler Ebene. Vor allem das Nürnberger Memorandum kann in Zukunft die interdisziplinären Nachhaltigkeitsdiskurse dafür sensiblisieren, dass auch spirituelle und religiöse Motive für das Engagememt zentral sind.

Markenzeichen unserer interreligiösen Friedensarbeit ist daher nicht nur unser Engagement vor Ort, sondern auch in internationaler Vernetzung für Religions for Peace International.  Wir erleben gerade, wie sehr Konflikte in einer globalisierten Welt auch auf unsere lokalen Kontexte einwirken und zum Teil auf gravierende Weise auch interreligiöse Netzwerke belasten. So kann ich berichten, dass der Vorsitzende des African Council of Religious Leaders Dr. Francis Kuria Kagema zum Generalsekretär von Religions for Peace International berufen wurde und auch die Arbeit der Standing Commissions wieder aufgenommen hat. Aus Deutschland ist Prof. Dr. Johannes Lähnemann seit vielen Jahren aktives Mitglied in der Standing Commission for Interreligious Education – ich engagiere mich seit einigen Jahren in der Standing Commission on Nurturing a Sustainable Environment.

Als Vorstandsmitglied im gemeinnützigen Verein Religions for Peace Europa muss ich leider berichten, dass der Prozess der Zusammenführung der vier europäischen Entitäten (European National Interreligious Bodies – ENIB; European Council of Religious Leaders – ECRL, European Women of Faith Network – EWFN; European Interfaith Youth Network – EIYF) langwieriger und anstrengender als gedacht ist. Mutmachend ist hier, dass es im Januar 2025 ein Vorstandstreffen geben wird, um die weitere Zusammenarbeit in bessere Bahnen zu lenken. Berichtenswert ist außerdem, dass bei dem jährlichen Treffen des European Council of Religious Leaders (ECRL), das vom 16. bis 18. September 2024 in Oslo stattfand, Pfarrer Dr. h.c. Thomas Wipf die Präsidentschaft des Rates an Bischöfin Kari Mangrud Alvsvåg von der Diözese Borg in Norwegen übergeben hat. Zur Arbeit der nationalen Vertretungen (ENIB) kann mit Freude die Erweiterung des Kreises um Griechenland und Finnland genannt werden. In diesem Jahr hat sich ENIB auf Einladung Griechenlands in Athen getroffen. Dort wurde am 21.9.2024 ein öffentliches Forum zum Thema Demokratie (Democracy, Sustainability and Interreligious Dialogue. Building an Inclusive and Resilient Future) abgehalten. Hier konnte ich RfP Deutschland  mit einem Vortrag zum Thema ‚Democracy needs Religion. Religion needs Democracy‘ vertreten.

Möglicherweise bringt dieser Rundbrief für Sie gar nicht so viele Neuigkeiten, denn unsere Öffentlichkeitsarbeit via Website, durch die Zusendung der halbjährlichen Mitteilungen wie auch die Gesprächsmöglichkeiten durch die regelmäßig stattfindenden Angebote eines interreligiösen Gesprächskreises auf digitaler Ebene  halten uns alle auf dem Laufenden. Hierfür möchte ich unserem Öffentlichkeitsreferenten Dr. Michael A. Schmiedel besonders danken. Um besser über alle Termine von RfP-Deutschland informiert zu werden, haben wir auf unserer Website eine Kalenderfunktion installiert und bitten darum, uns Termine in den lokalen Gruppen zum Eintrag zuzusenden.

Wenig würde gehen, wenn wir keine finanziellen Ressourcen hätten. Dass hier mit großem Engagement unsere Finanzchefin Dr. Hamideh Mohagheghi für Klarheit sorgt, hilft unserem Verein sehr. Leider gehen uns immer noch viele Mitgliedsbeiträge verloren, weil uns von einigen Mitgliedern (noch) keine Daueraufträge vorliegen. Ich bitte Sie daher sehr, uns diese so bald wie möglich einrichten. Ihre Unterstützung ermöglicht unsere Handlungsräume für das Engagement vor Ort. Und ein großer Dank an all diejenigen, die unsere Arbeit mit Beiträgen und Spenden so hilfreich unterstützen.

Das vergangene Jahr hat uns als Religions for Peace Deutschland gezeigt, wie not-wendig unsere Arbeit ist. Ich wünsche Ihnen von Herzen für das herausfordernde Jahr 2025 das ‚Resilienzgelb‘, aber auch Bilder und Geschichten ihres Glaubens, die ermutigen und das Zusammengehörigkeitsgefühl mit Menschen, die zwar einer anderen Religion angehören, aber dennoch einen wachen Glauben an die Verheißung einer friedvollen Welt leben wollen.

Bitte bleiben Sie hoffnungsvoll!

Elisabeth Naurath
Vorsitzende Religions for Peace Deutschland

Beitragsbild: Holger Gebhard, Resilienzgelb 2, Acryl, 2024

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